Menschen, die sich trennen, sind in der Zeit vor und nach der Trennung oft gefangen in seelischen und psychischen Problemen. Jede und jeder geht verschieden damit um. Wie gut es die Frauen und Männer jedoch schaffen, ihre persönlichen Probleme und emotionale Betroffenheit zu bearbeiten, zu lösen und zu heilen, hat große Auswirkungen auf die Gestaltung eines gelingenden Lebens nach der Trennung. Ganz besonders die Kinder können von einer guten Konfliktbewältigung und positiver emotionaler Verarbeitung der Trennung profitieren.
Menschen sind in Krisensituationen des Lebens auf der Suche nach Begleitung und Unterstützung. Dies kann zum Teil in Familienberatungsstellen oder in Selbsthilfegruppen geschehen. In diesem Bereich ist bereits ein gutes Hilfesystem entstanden, auf dass man verweisen kann.
Was Menschen in der Trennungssituation aber auch brauchen, ist der Beistand und die Begleitung durch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Kirchengemeinden. Was dafür notwendig ist, darauf möchte ich gerne näher eingehen.
Aus der bisherigen seelsorgerlichen Praxis bei den Kasualien wird immer wieder die Erfahrung gemacht, dass Frauen und Männer an den wichtigen Lebensübergängen und Krisensituationen im Leben offen sind für Angebote ihrer Kirche und durch die vertieften Erfahrungen von Freude und Leid sich zu öffnen für den Zuspruch und das Heil der christlichen Botschaft. Wenn das Leben aus den Fugen gerät, wenn nichts mehr so ist, wie man es sich doch so schön eingerichtet hatte wird die eigene Person, das eigene Sinnsystem in Frage gestellt.
Trennung ist ein Lebensübergang, er dekonstruiert den bisherigen Lebensentwurf. Viele Fragen an die eigene Person und an den Sinn des Lebens werden in dieser Phase gestellt. Es ist eine Chance als Kirche diese Menschen auf ihrer Sinnsuche zu begleiten.
Elisabeth Mackscheidt, katholische Theologin und systemische Familientherapeutin, definiert den kirchlichen Auftrag bei Trennung und Scheidung wie folgt:
Glaube bedeutet Kontexterweiterung
Glaube beinhaltet eine heilsgeschichtliche Perspektive, die die eigene Lebensgeschichte in einen anderen, größeren Sinnzusammenhang stellt. Christen ist die Freiheit geschenkt, versöhnlich mit dem fragmentarischen, mit den Abschieden und Verletzungen umzugehen. Wir müssen und können nicht perfekt sein, wir können auch das, was uns scheinbar nicht gelungen ist, versuchen zu akzeptieren. Das bedeutet aber auch, dass Kirche vermeiden sollte, die Ehe zu idealisieren und statt dessen sowohl den Anfang wie das Ende unter Gottes Segen stehend betrachten.
Neue Deutungen ermöglichen
In der Begleitung von Menschen, die ihre Trennungserfahrung verarbeiten, ist es wichtig, nicht die Gegebenheiten und das Erlebte als auswegloses Faktum stehen zu lassen, sondern in Gesprächen neue positivere Deutungen und Sichtweisen der Situation zu ermöglichen, ohne dabei die Schmerzen zu verleugnen.
Der Zuspruch Gottes, dass unsere Schuld vergeben ist, birgt die Möglichkeit, auch Unheil wahrzunehmen, Umkehr zu versuchen und versöhnend zu wirken. Dabei geht es nicht um eine Suche nach Schuld, sondern vielmehr darum, sich eigenes Unvermögen eingestehen zu können und auch den eigenen Anteil am Konflikt wahrzunehmen. Dies wiederum führt zu einer veränderten sicht auf die alleinige Zuschreibung und Versagen auf den Partner.
Gute Beweggründe aufdecken
In der systemischen Arbeit mit Familien entdeckt man immer wieder, dass das Verhalten Einzelner oft auf generationenübergreifende Loyalitätsbeziehungen zurückzuführen ist. Das als negativ erlebte Verhalten, was aus einer solchen Loyalität heraus entsteht, basiert häufig auf gut gemeinten und unbewussten Motiven, etwas Hilfreiches für die anderen zu tun.
Als Menschen sind wir auf Liebe und Solidarität aufeinander angelegt. Uns oft auf den ersten Blick nicht einsichtige Verhaltensweisen haben eine Bedeutung, die sich nicht sofort erschließt. Trotzdem kann eine Trennung ein Ausdruck von Liebe sein, von nicht weiter verletzen wollen, den anderen seinen Weg gehen zu lassen. Es ist darum wichtig, diesen Weg nicht aus einer entfernten Perspektive zu verurteilen, sondern ihn mit der Gewissheit begleiten, dass er einen wichtigen Sinn für die Betroffenen hat. „Das Bewusstsein, unter dem wohlwollenden Blick eines Gottes leben zu dürfen, der den Menschen geschaffen und erlöst hat, steht in tiefem Einklang mit dieser Suche nach dem guten Boden einer meist höchst ambivalent erlebten Entscheidung.“
Auf die Stärken schauen
In einer Krise liegen Entwicklungschancen für alle Beteiligten. In den Evangelien finden sich viele Beispiele dafür, dass Jesus Menschen in schwierigen Lebenslagen positive Möglichkeiten aufzeigt und eröffnet. Ressourcenorientierung in der Seelsorge eröffnet Möglichkeiten, kreativ mit der Situation umzugehen und konstruktiv Neues zu entwickeln und zu gestalten.
Dem entgegen ist es wichtig, alles zu vermeiden, was das sowieso schon angeschlagene Selbstwertgefühl weiter schwächt: Sie an den Rand der Gemeinde drängen oder nicht vom Rand in die Mitte holen, ihre Trauer nicht würdigen, eine Sprache benutzen, die die Chancen dieser Lebensform vergessen lässt. Gemeinde sollte vielmehr ein Ort sein, in der Frauen und Männer ihre Stärken zeigen und Kompetenzen einbringen können.
Die Zukunft ins Auge fassen
Hoffnung auf Veränderung und eine gute Zukunft gehören zu den wichtigen Schätzen, die der christliche Glaube birgt. Eine sensible Begleitung kann Perspektiven öffnen, und die vorsichtigen Schritte in der Neugestaltung von Beziehungen fördern. Das heißt nicht: Das wird schon wieder gut! Sondern es geht vielmehr darum, Hilfestellung zu geben, den Blick auf positive Möglichkeiten in der Zukunft zu richten.
Allparteilich sein
In den Gesprächen mit Menschen in Trennungskrisen ist es wichtig, den Blick zu weiten für alle, die zu dieser Familie gehören und ein Teil der Situation sind. Das bedeutet, nicht sich allein auf die Situation desjenigen zu konzentrieren, der von uns begleitet wird. Die Perspek-tiverweiterung auf alle Beteiligten birgt die Chance, nicht sich in das einseitige Deutungsmuster einer Person zu vertiefen, sondern alle daran Beteiligten wertschätzend im Blick zu behalten.
(Mackscheidt, Elisabeth; Systemische Beratung und christlicher Glaube in: Armin Beuscher (hrsg) Gewagtes Glück; Nidderau 1998)
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